Alle Beiträge von Rude

Rude mag Musik, Hamburg und Lästerliches, Oberbekleidung und Reisen, und schreibt deshalb hin und wieder über genau diese Dinge. Er führt ein geheimes Doppelleben als Software-Entwickler.

Der Lärm gesprengter Ketten

Wer es noch nicht mitbekommen hat: dies Jahr ist wieder Fußballweltmeisterschaft. Das heißt: Futter für Anhänger Orwell’scher Überwachungstechnologien, überteuerte und undurchschaubare Verkäufe von Tickets und Übertragungsrechten, FIFA-Skandale und auch ein bisschen Fußball.

Beschäftigen wir uns jedoch einmal mit den Nationalhymnen. Ich habe im Juni wiederholt die Gelegenheit, in Zürich einen Klavierabend zu bestreiten, bei welchem ich das auf Leinwand übertragene Spiel Griechenland ./. Argentinien als Stummfilm am Klavier begleiten werde. Da komme ich auch nicht drumrum, mich mit den Hymnen der Länder zu befassen.

Zur letzten WM war das Spiel Japan ./. Brasilien Thema des Abends. Was für ein Gegensatz: die kurze, gemächliche, Unisono-Melodie der Japaner gegen das komplexe rhythmische Feuerwerk der Brasilianer! Man stelle sich vor, Brasilien würde das fehlerfreie Aufsingen seiner Nationalhymne im Ausländerintegrationstest vorsehen. Das Land wäre nach kurzer Zeit wie leergefegt. Die brasilianische Hymne ist unsinnig schnell, schwer zu spielen, schwer zu singen, temperamentvoll und schmissig.

Diesmal also Griechenland und Argentinien. Auch hier starke regionale Unterschiede, bei welcher sich mir die Frage aufdrängt: Welche Aufgaben soll eine Nationalhymne eigentlich erfüllen? Ohne eine ausreichende statistische Masse betrachtet zu haben, wage ich die Vermutung, dass auf der Nordhalbkugel die Hymnen bewusst so komponiert werden, dass sie jeder Ackergaul mitsingen kann, während auf der Südhalbkugel die eigene Landeshymne von deren Bevölkerung im Grunde nicht zu bewältigen ist.

Und hier bestätigt sich meine Vermutung erneut: Die Hymne Griechenlands ist einfach, solide, spaßbefreit, selbstsicher und ein bisschen doof, genau wie die deutsche. Selbst die Spieler der Nationalmannschaft können sie mitsingen.

Und dann war da noch Argentinien. Ein schönes, bewegtes Land mit einer schwierigen Vergangenheit und steten sozialen Problemen. Idealer Nährboden für wunderschöne depressive Tangos, und eine etwas komische Nationalhymne. Man meint, sie sei extra dazu geschaffen, die eigenen Mitbürger zu verunsichern und sie auf einer gesunden Distanz zu ihrem Staat zu halten. Die argentinische Nationalhymne ist unendlich lang und kompliziert. Sie ist musikalisch trist und der Text voll mit vagen Durchhalteparolen. Sie hat Unmengen unmotivierter Temposchwankungen und Fermaten, und sie hat ein elendlich langes Instrumentalvorspiel!

Interessant zu sehen, wie sich ein solches Stück im musikalisch wackligen Fundament einer Fußballmannschaft so schlägt. Da das Stück schon von der schieren Länge her ungeeignet für einen Einsatz vor dem Anpfiff ist, wird es eigentlich immer irgendwie gekürzt, aber immer anders. Schaut man sich die Aufzeichnungen früherer Spiele an, muss man unweigerlich schmunzeln, da die aufgereihten Spieler während des langen Vorspiels unsichere Blicke austauschen, wann’s denn nun losgeht. Ich vermute, der Mannschaftskapitän entscheidet dies. Das Wort "Spielführer" erhält hier eine neue Bedeutung, und die Person eine neue Verantwortung. Hin und wieder wird auch nur das Instrumentalvorspiel gebracht, vermutlich aus Rücksicht auf die Konzentration der Fußballer.

Für die Stummfilmbegleitung ist diese Hymne extrem undankbar: da ich ja nichts höre, sind meine einzige Orientierung die Feldspieler, und die verstehen das Stück selbst nicht.

Ich muss zugeben, mein Interesse an diesem Land ist gestiegen. Und da ich den Tango eh im letzten Jahr vernachlässigt habe: mal sehen, was der Urlaubskalender 2011 so hergibt. Aber erstmal: schöne WM! Frohes Buffen! Pauli!

Tante-Emma-Runterladen

Mir läuft das Wasser im Mund zusammen: 100 Gramm feiner Kochschinken, ein Sonderangebot. Zwar benötige ich die auf der Packung festgeklebten Dreingaben (eine Schachtel Reißzwecken und einen Gutschein für die einmonatige kostenlose Nutzung einer Badezimmerkachel) nicht, aber die kann ich ja zuhause gleich wegwerfen, und auch das Probeabonnement des "Vereinsblatts der Heimtierzüchter" kann man ja unkompliziert schriftlich wieder kündigen.

Ich gehe zur Kasse. Die ist nicht ganz einfach zu finden, da der Wegweiser völlig falsch geschrieben ist, in die verkehrte Richtung zeigt, und die Tür zum Kassenraum klemmt, aber durch den verschneiten Lieferanteneingang gelingt es mir dann doch, zur Bezahlstelle vorzudringen. Ich nähere mich der Kassiererin mit einem fröhlichen "Guten Tag". Sie reagiert nicht. Ich tippe ihr auf die Schulter, immer noch keine Reaktion. Ein Freund erzählte mir, in so einer Situation gehe ich am besten noch einmal zurück zur Tür, wiederhole meinen Gruß, und manchmal klappt es dann. Nach nicht einmal zehn Minuten habe ich meinen Einkauf bezahlt. Die ec- und die Visakarte sowie die Barzahlung wurden von der Kassiererin zwar nach dem Ausfüllen des Kaufvertrags abgelehnt (zu meiner eigenen Sicherheit), die Bezahlung geschieht hier ganz praktisch durch Glasperlen, mit welchen man hervorragende Erfahrungen gemacht hat, und welche ich bei Schröders Bastelstube (nach eigener Aussage Marktführer bei sicheren Bezahlsystemen) im benachbarten Stadtteil bequem kaufen konnte. Jetzt noch flugs die dringend benötigten Daten aus meinem Führerschein, meinem Reisepass und meinen vorgelegten Kontoauszügen abgeschrieben, der Schufa-Auskunft zugestimmt, dann kann ich schon fast meinen Kochschinken in Empfang nehmen. Ich lehne freundlich die Plastiktüte voll mit Werbeunterlagen einer Matratzenfirma ab, finde sie später dennoch in meiner Einkaufstüte wieder.

Ich muss nun nur noch den Lieferantrag, der mir per Post nach Hause geschickt wird, abholen, den 20-stelligen Authentizitätscode abschreiben und bei der Kollegin an der Warenausgabe des Supermarkts vorzeigen. Ich tue dies, und sie händigt mir eine Packung aus. Dort ist zwar Schwarzwälder Schinken drin, ich reklamiere, sie verweist mürrisch auf einen Passus in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen, welche zerknüllt hinter der Kühltruhe kleben, in denen doch schließlich klipp und klar stehe, dass der Supermarkt zu diesem Austausch befugt sei. Außerdem sei Schwarzwälder Schinken doch viel besser als Kochschinken. Nicht auf einer Pizza, skandiere ich und werde ignoriert.

Als ich zuhause ankomme, bemerke ich, dass sich ein kleiner Mann in den Kofferraum geschmuggelt hat. Er steigt aus, springt zur Wohnungstür hinein und versteckt sich in der Küche hinter dem Herd. Von dort lugt er hin und wieder hervor, und hält mit seinem Mobiltelefon den Schinkenhersteller auf dem Laufenden darüber, ob ich denn den Schinken auch nur für die vorgeschriebenen Zwecke gebrauchen und ihn insbesondere auch nicht meinen Nachbarn ausleihen oder ihn gar weiterverkaufen würde.

Der Schinken ist übrigens gar nicht so gut wie in der Werbung angepriesen. Die Packung geht sehr schwer auf, er sieht komisch aus und passt geschmacklich gar nicht zu meinem anderen vorhandenen Pizzabelagen. Ich bin enttäuscht — nicht unbedingt wegen des Schinkens oder des herausgeworfenen Geldes, sondern ärgere mich über den betriebenen Aufwand beim Kauf, und auch über den kleinen Mann, welcher sich weigert, hinter dem Herd hervorzukommen, und von dort lauthals der Nachbarschaft meine Kontoauszüge und Privatkorrespondenz vorliest.

Das nächste Mal klaue ich mit den Schinken lieber im Laden.

Ich lese später in der Zeitung, der Kochschinkenhersteller sei mit dem Umsatz seines Produktes unzufrieden. Er werde als Folge das Werbebudget erhöhen, und verkaufe den Kochschinken nur noch als verstecktes Zweijahresabonnement.

Lieber Leser,

an welcher Stelle des Kochschinkenkaufs hätten Sie den Kaufvorgang abgebrochen, dem Verkäufer einen Vogel gezeigt und wären unverrichteter Dinge wieder nach Hause gefahren? Ich vermute, bei den Reißzwecken. Nur die ganz Hartgesottenen unter Ihnen hätten wirklich die Kasse gesucht.

Stellen Sie sich nun aber vor, das erworbene Produkt hieße nicht "Kochschinken", sondern "Kochschinken® Pro" und sei eine Software, und finden Sie sich in der duftigen Klärgrube der Realität wieder. Hand aufs Herz: wer von Ihnen hat sich schon einmal eine Software im Internet so einfach gekauft und installiert, wie (übertragend gemeint) den Schinken für eine Pizza? Ich stelle mir das so vor: auf "Kaufen" klicken, die Kreditkartendaten oder die Bankverbindung (für einen Einzug) eingeben, Produkt und Betrag abnicken, Download beginnt, Software installieren, Ruhe. Irgendjemand? Bueller?

Also, ich nicht. Der letzte Vorgang, der nach tadellos gestalteten Bannern, Testimonials und Featurelisten auf der Anbieterseite erwartungskonform funktioniert, ist der Mouseclick-Event des "Buy Now"-Buttons. Dieser katapultiert den Websitebesucher in ein Paralleluniversum, in welchem vielleicht noch die Schwerkraft, nicht aber der Menschenverstand gilt, und mal drin rumgeklickt scheint auf Anbieterseite auch niemand zu haben. Ich beobachte Fehler in der Lokalisierung (z.B. für den internationalen Versand bei der Adresseingabe "Bundesstaat" als Pflichtfeld-Dropdown. Liegt Hamburg jetzt in "Alabama" oder "Wyoming"?), unsinnige technische Einschränkungen ("Für dieses Formular benötigen Sie den Internet Explorer 7 und ein installiertes Java" — Himmelherrgott, es ist ein Formular!) und schwere Verstöße gegen das Datensparsamkeitsgebot: offenbar scheint es die Marketingabteilungen der Anbieterfirmen aber nicht zu stören, dass die Hälfte Ihrer Kunden in der Mickymausstraße 111 wohnen und am 11.11.1111 geboren sind.

Es folgt der Test, welche der Einweg-Mailadressenanbieter nicht auf der Blacklist des Versendersystems sind, um alsdann die "Gültigkeit der Mailadresse" zu bezeugen… kopfschüttel. Mal angenommen, der Download funktioniert und die gezippten Dateien sind nicht korrupt und vollständig. Dann folgt der schmerzvolle Prozess der Produktaktivierung. Ich kenne mehr als eine Person, die nach mehreren Stunden erfolglosen Herumklickens auf Aktivierungssites, vergeblichen Wartens auf Bestätigungsmails, Anrufen bei nicht erreichbaren Hotlines der Softwarehäuser, erneuter Installation und manuellen Editierens der Registry sich dann für ihre gekaufte Software den Produktschlüssel doch von irgendeinem russischen Pornoserver runtergeladen haben, weil dies wenigstens anstandslos funktioniert. Ich war neulich beim Erwerb der "Kontakt"-Musiksoftware der großartigen Musiksoftwarefirma "Native Instruments" auch soweit; meine Motivation zum tatsächlichen Abschluss des vierstündigen Softwareaktivierungsvorgangs zog ich einzig aus meiner Unkenntnis russischer Pornoserver.

Genug! Ich fordere: Software zu Schinken! Und stelle folgende Thesen auf:

  1. Software ist kein besonderes Produkt und unterscheidet sich in keinem wesentlichen Punkt von Kochschinken. Nein, ist es nicht, und tut es nicht.
  2. Mißtrauen macht mißtrauisch. Neugierde wird mit Fehlinformationen bestraft. Und Russland ist groß und hat viele Server.
  3. Viel Software wird nicht verkauft, weil die Kunden den Kaufprozess nicht durchlaufen wollen oder können. Und sie könnte wesentlich wirtschaftlicher verkauft werden, wenn alles, was nicht direkt mit dem Softwareprodukt zusammenhängt, wegfiele. Ja, tut mir leid, auch das Reißzwecken-Abo interessiert den Kunden nicht.
  4. Es wird viel Geld für Dongles, Kopierschutz und Spionagesoftware ausgegeben, und wenig für die Qualitätssicherung des Kaufformulars. Es wird viel Mühe investiert für alles vor dem "Buy Now"-Button, und wenig für alles danach.

Ich bestelle mir jetzt eine Pizza. Sollen die vom Pizzadrive sich doch mit dem Kauf von Kochschinken auseinandersetzen. Für diese Dienstleistung zahle ich auch gern nen Euro mehr.

Und wer einen russischen Pornoserver weiß, hinterlasse den bitte im Kommentarfeld. Vielleicht braucht den ja jemand beim nächsten Softwarekauf.

Ein Weihnachtsgruß zum geschriebenen Wort

Lieber Leser.

Vielleicht ist es übertrieben, wenn ich bei der Anrede in der Einzahl bleibe. Aber so viele Leute lesen meinen Blog auch nicht, dass ich ohne hochzustapeln mit "Werte Massen" beginnen könnte. Deutlicher gesagt: Das, was ich hier hin und wieder schreibe, liest praktisch kein Schwein. Ich bin mir dessen bewusst, bin mit dieser Tatsache im Frieden, denn ich bin in guter Gesellschaft: Viele Leute auf der Welt schreiben sich die Seele aus dem Leib, ohne dass es je gelesen wird.

Klassifizieren wir diese Schriftstücke – nennen wir sie hier einmal Write-Only-Media (WOM) – einmal grob in zwei Gruppen:

a) solche, die mit wenig Aufwand und in geringer Stückzahl produziert werden und nur marginale Verbreitung erfahren, z.B.:

  • dieser Blog,
  • der Liebesbrief von dem fahlgesichtigen Streber aus der 8b,
  • Tagebücher,
  • Beschwerdebriefe an die Telekom, usw.

b) und solche, die außerordentlich aufwändig, in schierer Unzahl und mit teils weiltweiter Verbreitung gedruckt, publiziert und verteilt werden. Und trotzdem keinen einzigen Leser finden.

Was für welche sind das? Nun, es gibt sie massenhaft und überall! Ein weihnachtliches Beispiel:

Mein kleiner Sohn bekam zu Weihnachten eine Werkbank geschenkt, mit kindgerechtem Plastikwerkzeug und einer kleinen batteriebetriebenen Bohrmaschine. Das Bundle kam mit nicht weniger als acht unterschiedlichen Begleitzetteln, auf denen auf fast allen stand "Wichtige Informationen! Unbedingt sorgfältig durchlesen und aufbewahren!". Nun lesen wir grundsätzlich keine Begleitzettel. Mein Sohn nicht, weil er nicht lesen kann, und ich nicht, weil ich als Mann selbstverständlich kompetent genug bin, jeden mir vorgelegten Gegenstand aus dem Stand heraus montieren und bedienen zu können. Erst recht ein Kinderspielzeug!

Auffällig an der Werkbank ist jedoch ein (ebenfalls aus kindgerechtem weichmacherfreien Kunststoff gefertigter) Schraubstock, der schlicht ohne erkennbare Funktion ist. Nun habe ich das nicht wirklich erwartet: die Kneifzange und der Hammer funktionieren ja schließlich – aus gutem Grunde – auch nicht. Dennoch entschloss ich mich, doch einmal die Beilegezettel zu überfliegen, ob mir vielleicht doch bei der Montage ein Fehler unterlaufen sei. Und so sah ich also das ganze Elend:

  1. ein Blatt mit vagen Sicherheitsbestimmungen und Warnhinweisen ("Achtung! Nicht über die vom Hersteller angegebene Belastungsgrenze hinaus beanspruchen!"),
  2. eines mit nicht minder vagen Entsorgungsrichtlinien ("ggf. im Lieferumfang vorhandene elektronische Bestandteile sind fachgerecht zu entsorgen"),
  3. ein Garantiezertifikat, das jedoch nur dann gültig ist, wenn das Spielzeug "vom Fachhändler montiert wird" (hallo, es ist eine Kinderwerkbank mit daumengroßen Plastikschrauben!) und ferner mit Unterschrift, Kaufdatum und Stempel von einer nicht spezifizierten Stelle ausgestellt werden muss (das Garantiezertifikat ist übrigens in Plastik eingeschweißt tief unten im versiegelten Pappkarton untergebracht. Viel Spaß im Spielzeugladen.),
  4. ein Blatt mit Richtlinien für korrektes Einsetzen und Entsorgung der Batterien (welches jedoch sich darüber ausschweigt, wo sich denn eigentlich das Batteriefach verbirgt),
  5. eine Liste von kompetenten Fachhändlern im europäischen Ausland (praktisch, wenn man die einen halben Kubikmeter messende Werkbank gerade mit dem Flieger nach Madrid transportiert hat),
  6. ein Blatt, das die Konformität irgendeiner mir unbekannten und nicht näher spezifizierten TÜV- oder CE-Richtlinie beurkundet,
  7. ein Blatt mit Modellnummern (ohne Abbildungen) und Bezugsadressen für ein offenbar von der gleichen Firma angebotenes Zubehör, dessen Bezug zum erworbenen Produkt mir nicht klar ist,
  8. und – endlich – eine Montageanleitung. Kurz gefasst, zwölfsprachig, der deutsche Teil immerhin weitgehend rechtschreibfehlerfrei, und ganz offensichtlich einer früheren Produktserie mit vollständig anderen Teilen zugehörig, somit praktisch nutzlos. Immerhin: der Skizze nach soll die nach einem Schraubstock aussehende Vorrichtung gar nicht wirklich funktionieren, wahrscheinlich aus Sicherheitsgründen.

Acht Dokumente, welche allesamt mehr oder weniger mühevoll, jedoch zeitaufwendig konzipiert, formuliert, geschrieben, übersetzt, qualitätsgesichert, gedruckt, eingetütet und versandt worden sind. Um beim Empfänger, noch nach Druckerschwärze duftend, sofort im Altpapier zu landen. Das sind Write-Only-Medien der Klasse b).

Dieser zweiten, bedauernswerten Gruppe von Autoren gilt mein weihnachtliches Mitgefühl. Warum? Nun, den Kollegen der WOM Klasse a) macht ihr Mühsal vermutlich zumindest Freude. Oder sie schreiben sich den Frust von der Seele. Oder sie pflegen zumindest ihre literarischen Grundkenntnisse.

Aber Euch, Ihr Autoren der WOM Klasse b)? Macht es Euch Spaß, EU-regelkonforme Sicherheitsrichtlinien und Warnhinweise zu schreiben? Fühlt Ihr Euch befreit, wenn das von Euch mühsam erstelle Endbenutzer-Lizenzabkommen (EULA) von 20 Bildschirmseiten Länge endlich

IN UNLESERLICHEM FETTEN DAUERGROSSDRUCK MIT MIKROSKOPISCH KLEINEM SCROLLBALKEN IN TIMES NEW ROMAN SECHS PIXEL IN DUNKELGRAU AUF SCHWARZ IN EINEM ZWEI MAL SECHS ZENTIMETER GROSSEM TEXTFELD DAS SICH SO FUMMELIG BEDIENEN LÄSST UND KEIN ÜBERFLIEGEN SEINES INHALTES ZULÄSST, SO DASS MAN GAR NICHT MERKT, DASS DER REST AUS BLINDTEXT ZWEI BOXKÄMPFER JAGEN EVA QUER DURCH SYLT THE QUICK BROWN FOX JUMPS OVER THE LAZY DOG LOREM IPSUM DOLOR SIT AMET UT PURUS EST LEO SED CONDIMENTUM SEMPER DONEC VELIT NEQUE MAECENAS ULLAMCORPER

auf der Website prangt? Bekommt ihr begeisterte Leserbriefe für den haftungsbeschränkenden E-Mail-Footer und den kugelsicheren Website-Disclaimer? Oder wenigstens viel Geld?

All ihr Autoren von Allgemeinen Geschäftsbedingungen, Arbeitsanweisungen, Image-Broschüren und Beipackzetteln, von Versicherungsbedingungen, Reklame-Pop-Ups und Werbebeilagen, von README- und license.txt-Dateien. Vielleicht ergibt Eure Arbeit einen Sinn. Ich möchte aber nicht mit Euch tauschen. Meine Wörter werden ebensowenig gelesen wie Eure, aber zumindest schreibe ich sie freiwillig, gehe damit fast niemandem absichtlich auf den Geist, und die Herstellung und Verbreitung geschieht vergleichsweise CO2-neutral.

Sollte tatsächlich irgendjemand bis hierhin gelesen haben, bitte ich ihn, zum Beweis als Kommentar das Wort "Gummistiefel" zu hinterlassen.

Frohen Jahresausklang,

Euer Rude

Humpta nochamol!

So, Arbeit war’s genug, aber nun ist der stressige Teil vorbei: die Songs fürs Wahlkabarett „Ob’wrackt is‘!“ am Theater Wedel sind arrangiert, die Musiker gefunden, die Instrumente poliert und die ersten beiden Vorstellungen hinter uns gebracht. Es hat auch eine nette Kritik, wenngleich dem Autor offensichtlich entgangen ist, dass es auch Musik gab.

Und wieder einmal ist es ein Riesenspaß, mit den Jungs die Mischung aus selbstgeschriebenen Stücken („Pupsegal“, „Reproduktion“), umgetexteten Standards („Easy“, „Respect“), Instrumentalklassikern („James Bond Theme“, „Sesamstraße“), Humpta-Arrangements („Yellow Submarine“, „Das Boot“) und unzähligen Zwischenmusiken („Peter Lustig“, „Je t’aime“) zu spielen.

Inzwischen habe ich auch fast ein bisschen die Angst vor dem viertunbeliebtesten Instrument verloren: dem Akkordeon. Denn bei den Humpta-Nummern muss ich das sichere Wasser des Klaviers verlassen und mir dieses teufelsgemachte Wimmerdings um den Hals hängen. Was tut man nicht alles fürs Publikum.   ;-)

Jetzt ist erstmal eine Woche Pause, am 10. geht’s weiter.

Ob’wrackt is‘!

Noch sechs Wochen bis zur Wahl! Der Terminkalender des Bundesbürgers im September ist voll: Neben der Bundestagswahl muss der süddeutsche Bürger zum Oktoberfest, und der norddeutsche zur vorgezogenen Landtagswahl in Schleswig-Holstein (rein kabarettmäßig gesehen ein Geschenk des Himmels!).

Allein die Bürger in Wedel haben es gut: sie können an beidem gleichermaßen und gleichzeitig teilnehmen! Denn das Kabarett am Theater Wedel präsentiert sich dieses Jahr in bajuwarischem Gewande und möchte so etwas von der so geschätzten zivilisierten Ausgelassenheit unserer bayerischen Mitbürger in den Norden bringen, um zu vermitteln: wir sind ein Volk. Mindestens.

Mit verstärkter Mannschaft, musikalisch unterstützt von den sechs Buam der Kapelle „Rudi Ravn und seine Original Wedeländer“, nimmt das Kabarett-Team seine Pflicht wahr, den Bundesbürger über alle relevanten politischen Tagesthemen zu informieren und ihm so eine vernunftbasierte Wahl seiner Regierung zu ermöglichen. Geklärt werden dies Jahr unter anderem die Fragen:

  • Werden wir von einem U-Boot im Starnberger See aus regiert?
  • Sind Möllemann (und Michael Jackson) wirklich tot?
  • Wie entstehen eigentlich Wirtschaftsprognosen?
  • Und wer ist am allerwenigsten schuld an der Krise?

Vorstellungen laufen am 29. und 30.8., 10.-13.9., 16.9., 18.-20.9., 23.-26.9., jeweils um 20.00 Uhr im Theater Wedel. Mehr und genauere Infos hier.

Ich freue mich vor allem, die Musik diesmal für große Band mit echter Horn Section arrangieren zu dürfen. Die „Original Wedeländer“ sind

Aiso, Buam uan Madels, poack mers!

Sonnenschein und Förderpreis

Juhuu! Meine Band, Körrie Kantner And His Not So Bigband, haben gestern auf dem Summer Jazz in Pinneberg den Förderpreis „für das Gesamtkunstwerk“ (Originalton Jury) gewonnen. Bei bestem Konzertwetter stellten wir uns, getreu unserem Motto „Swing Music und Mundharmonikabarett“, dem Publikum als zerstrittene Tangoband vor, die aufgrund eines Fehlgriffs in der Besetzung einen Bluesmusiker zum Frontmann bekommen hat. Offenbar fanden das außer uns auch noch andere Leute amüsant, fanden gegebenenfalls die Musik gut, oder waren schlicht von unseren Mädels hingerissen. Auf jeden Fall durften wir im Nachgang einen schönen Preis entgegennehmen. Das geplante Preisträgerkonzert am Abend fiel allerdings buchstäblich ins Wasser. So hatten die Zuschauer abends noch kurz Gelegenheit, sich an einem grandiosen dräuenden Gewitterhimmel zu ergötzen, bevor Minuten später sich die Wassermassen über den Drosteipark ergossen und das Jazzfestival ganz hanseatisch stilvoll und unmissverständlich beendeten.

Update: es hat Fotos vom Auftritt und der Preisverleihung.

Die Sponsoren sollen nicht unerwähnt bleiben. Vor allem deswegen, weil sie offenbar trotz meines Hinweises auf einen Post aus dem Jahre 2007 das Notenbild ihres Jingle-Abdruckes nicht korrigiert haben. Gottseidank können die meisten Jazzmusiker eh keine Noten lesen.   ;-)

Summer Jazz bei den Provinzidioten

Auch ich bin lange Jahre mit dem gefürchteten Autokennzeichen "PI" durch die Ackerfurchen und gegen die Parkhauspfeiler des Nordens gefahren, und darf mich daher über die Fahrgewohnheiten meiner Heimatbewohner spöttisch äußern.

Nun freue ich mich um so mehr, in meinem ehemaligen Heimatkreis Pinneberg nach all den Jahren einmal auf der Bühne stehen zu dürfen: Mit Körrie Kantner And His Not So Bigband spiele ich am Sonntag, den 9.8.2009 auf dem Summer Jazz Pinneberg ein Programm aus Pop, Funk, Swing und A-capella-Tango.

Laut Programm geht’s um 14.00 Uhr für uns auf der Bühne 2 (Lindenplatz) los. Wenn wir nicht auf dem Weg in einen Autounfall mit einem Winsener verstrickt werden. Die "Wilden Landwirte" fahren ja bekanntlich noch schlechter.   ;-)

11. Juli ist Bühnentag

Am Sonnabend, den 11. Juli 2009 werde ich mir das Hafenfest in Wedel größtenteils aus 1,5 Meter Höhe ansehen. So hoch ist nämlich in etwa die Bühne. Um 17.30 Uhr gibt’s zunächst eine Stunde Kabarett mit den schönsten aufgewärmten Nummern der vergangenen Wahlperioden „Wenn Du nicht kannst, lass mich mal“ und „Wahllos„. Musikalisch untermalt von Karen (fl), Till Pape (dr) und mir (kb).

Um 20.30 Uhr stehe ich dann auf dem gleichen Fest mit Körrie Kantner And His Not So Bigband auf der Bühne. Vermutlich in direkter zeitlicher Konkurrenz mit Stefan Gwildis auf der anderen Bühne, also schaun mer mal.

Auf jeden Fall freue ich mich, und hoffe auf gutes Wetter, da im letzen Jahr die Kabarettvorstellung während eines Starkregengusses stattfand.

Malencoded

Es gibt neue Shirts, die Serie „Malencoded“!

Immer wieder sorgen sie für Lacher – Pfusch in der Plakatwerbung, auf Produktpackungen, in Bedienungsanleitungen oder an der Schaufensterbeschriftung: Rechtschreibfehler, Grammatikfehler, Übersetzungsfehler, Formatierungsfehler, „Photoshop-Disaster“. Alles Fehler, die sich leicht hätten vermeiden lassen, wenn „am Ende einfach noch mal jemand draufgeguckt hätte“, bevor es in den Druck ging. War hier die Gleichgültigkeit eines unterbezahlten Druckereimitarbeiters am Werk? War die Einhaltung des Veröffentlichungstermins wichtiger als eine Qualitätssicherung? Oder hat es wirklich keiner gemerkt?

Der Reiz eines Pfusches ist natürlich um so höher, je aufwendiger und teurer das Zielprodukt ist. Ein Rechtschreibfehler auf dem Flyer eines Gebrauchtwagenhändlers ist unangenehm, gehört aber fast schon zum guten Ton der Branche. Aber auf einem turmhohen Großwerbeplakat für ein Markenunternehmen? Das dürfte eigentlich nicht passieren, denkt man. Passiert aber.

Besonders reizvoll sind darüberhinaus solche Fehler, deren Zustandekommen man sich nur mit spezialisiertem Knowhow erklären kann, und die ein gravierendes internes Problem beim Produzenten offenbaren. Für den IT-Kundigen ist dies z.B. der Fall, wenn anstatt der Zutatenliste für Schokorosinen auf der Verpackung ein SQL-Statement der Art „SELECT * FROM [Equipment Table] WHERE [Equipment ID] = 4“ prangt. Höchstwahrscheinlich der falsche Variablenname in einem Programmcode.

Ein weiteres reizvolles Fehlerpotential bildet die Zeichencodierung in Texten. Zu finden nicht nur gelegentlich auf namhaften Webseiten, sondern z.B. auf Amazon-Rechnungen und in so manchem Print-Produkt. Charakteristisch ist hier die Verwechslung von ISO- und UTF-Codierungen. Sie zeigt sich bei Verwendung von länderspezifischen Sonderzeichen, z.B. deutschen Umlauten.

Solche Fehler passieren andauernd, müssen aber am Ende beseitigt sein, spätestens in der Druckerei. Das Zauberwort heißt hier: Sorgfalt. Jeder Mitarbeiter in der Wertschöpfungskette hat die Verantwortung zum Mitdenken.

„Malencoded“ setzt diesen Gedanken fort und lässt den UTF-8-Fehler in das Heiligste eindringen: die Marke selbst. Würde es der Pianofirma „Bösendorfer“ passieren, dass ihr Markenname, in ausgefrästen Bronzelettern auf das Klavier geklebt, mit einem UTF-8-Fehler auf Hunderttausend-Euro-Flügeln ausgeliefert wird? „Bösendorfer“? Hoffentlich nicht.

„Malencoded“ stellt mangelnde Sorgfalt in Gestalt von Codierungsfehlern auf (einigermaßen) aufwendig zu produzierenden Medien dar, z.B. einem T-Shirt. Hier bieten sich Bandnamen mit „Heavy Metal Umlauts“ an. Hmmm… Mötley Crüe wär auch gut… hört aber glaub ich nun wirklich keiner.

Das Schöne: es versteht natürlich nicht jeder. Von Nerds, für Nerds.

In diesem Sinne: Schöne Grüße!